Traditionelles Karate

Nichts genaues weiß man nicht. Diesen Satz eines Münchner Originals aus dem vorigen Jahrhundert (Name leider vergessen) könnte man überaus treffend auch für die Geschichte des Karate verwenden. Tatsache ist, dass das heute geübte Karate mit dem Original so viel Ähnlichkeit hat wie bayerisch mit Hochdeutsch. Aber wie was wann und wo aus welcher Quelle und mit welchem Zweck (was für ein Satz) entwickelt wurde, ist nur noch schwer oder überhaupt nicht zu ermitteln.
 
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Als gesichert gilt, dass das Karate eine eigenständige Entwicklung oder Interpretation okinawanischer Kampfkunstexperten ist, basierend auf deren Ausbildung durch chinesische Meister des Shaolin Quan fa.  

Nicht jede Technik ist für jeden Körper geeignet. Dieser Erkenntnis folgend ist es unumgänglich das gelernte den eigenen körperlichen Fähigkeiten anzupassen. Verlangt z.B. eine Technik eine Gelenkigkeit die man nicht erreichen kann, muss man eine andere Technik wählen, oder diese Technik so abändern das die verfügbare Gelenkigkeit ausreicht.  

Warum man auf Okinawa das Shaolin-System nicht 1:1 übernommen hat, ist wohl in der Natur der Menschen zu suchen. Meiner Meinung nach ist der Grund hierfür nicht alleine in einer abweichenden körperlichen Konstitution zu suchen. Möglicherweise war auch die intuitive Vorstellung, die Mentalität von der Art zu kämpfen unterschiedlich. So ist einem Schüler der mit Kraft hart schlagen will, ein System in dem mit Weichheit und Lockerheit hart geschlagen wird nicht, oder nur schwer beizubringen.
 
Die außerordentliche Leistung der okinwanischen Meister war es, ein fremdes Kampfsystem, fremder Menschen (Chinesen), mit fremder Mentalität zu lernen und den eigenen Bedürfnissen und Vorstellungen Entsprechend zu entwickeln bzw. anzupassen. 

Dies geschah über Generationen hinweg, noch dazu im Geheimen bis um 1900 Yasutsune Itosu damit begann Karate an Schulen zu unterrichten. Hierfür entwickelte er die Heian Kata und „entschärfte“ das Karate. Wer gibt Kindern bedenkenlos gefährliches „Spielzeug“?  

Diese Art des Karate wurde von Gichin Funakoshi in Japan unterrichtet. Wem verrät man seine Geheimnisse? Dem eigenen Sohn, oder dem Sohn des streitlustigen Nachbarn? Diese Art des Karate wandelte sich schließlich zu dem Sportkarate das weltweit bekannt und verbreitet ist. Hier jetzt von modernem Karate im Sinne von fortschrittlich zu sprechen ist falsch. Modern ist immer das was gerade in Mode ist. So könnte ein Meister des alten Karate dieses demonstrieren und nicht wenige würden es als neues, modernes Karate ansehen. In diesem Zusammenhang sollte man von dem alten Karate vielleicht nicht als traditionelles Karate, sondern mehr als ursprüngliches Karate sprechen.  

In jedem Fall aber unterscheidet sich das ursprüngliche Karate sehr vom modernen Karate. Aber genaueres hierzu sollte jeder selbst herausfinden. Die Gelegenheiten hierzu sind zwar rar, aber wer es wirklich wissen will wird auch eine finden.  

Auch die Methoden des lernen und Lehrens im traditionellen Karate unterscheiden sich von den heutigen Methoden. Ein Lehrer ein Schüler, im direkten Unterricht. Und auch wenn es mehrere Schüler waren, so erhielt doch jeder Schüler seine eigenen körpergerechten Instruktionen.  

Es gab keine Schulen oder Karate-Stile. Es gab nur Meister und Schüler. Und die Kata. Jeder Meister hatte einige wenige Kata, die die Basis seines Karate darstellten. So gesehen ist und war jede Kata, oder jede Gruppe von Kata ein Karate-Stil. Das beste Beispiel hierfür sind die Kata Jion, Jitte und Ji’in die demselben Konzept folgen, oder die Kata Wanshu deren grundlegendes Konzept in keiner anderen Kata zu finden ist. Tatsächlich ist es sehr interessant Verwandtschaften zwischen verschiedenen Kata anhand ihrer Eigentümlichkeiten zu erkennen auch wenn sie sich ansonsten seitens des Ablaufs und der Techniken sehr unterscheiden. So ist bei den älteren Versionen von Niseishi und Sochin deren Verwandtschaft zur Unshu und damit auch die Zuordnung zur Aragaki-Schule wesentlich klarer zu erkennen, als bei den modernen Versionen Nijushiho, Sochin (Shotokan-Version) zur Unsu.  

Wo die Technik in der Kata aufhört beginnt sie in der Bunkai. Viele Versuche die Techniken einer Kata in den realen Kampf zu übersetzen konzentrieren sich auf die Beibehaltung der Bewegung, wie sie in der Kata geübt wird. Dies führt zu einem mechanischen, automatenhaften Ablauf, der einer natürlichen Bewegung widerspricht. Wenn man Kata macht, macht man Kata. Wenn man Bunkai macht, macht man Bunkai. Wenn man den Satz einer fremden Sprache Wort für Wort übersetzt, hat man die Bedeutung der Wörter, aber nicht den Sinn des Satzes. Es geht um den Inhalt und nicht um die Worte. Wer mit den Prinzipien einer Kata wirkungsvoll auf einen Angriff reagiert und danach überlegt was er eigentlich gemacht hat, welche Technik er verwendet hat, derjenige hat diese Kata und ihr Bunkai tatsächlich verinnerlicht, über die sportive Form hinaus.  

Das ursprüngliche Karate ist bei weitem nicht so geradlinig, formvollendet, mit dem Lineal vermessen und auf den Zentimeter ausgerechnet, wie das heutige moderne Karate. Es war und ist ein Karate des Kämpfens, des Überlebens, wo die Wirkung alles zählt und das Aussehen nichts. Vielleicht nicht so schön anzusehen und bei Kata-Wettkämpfen auf verlorenem Posten, aber wirkungsvoll. Schönheit war hier nicht gefragt.  

Das ursprüngliche „traditionelle“ Karate ist Kampfkunst, das moderne Karate ist Kampfsport. Man muss das eine vom anderen trennen! Wenn ich hier diese Worte eines Großmeisters zitiere, dann mit der persönlichen Überzeugung das dieser Großmeister recht hat.  

Keineswegs behaupte ich hier dass das sportliche Karate wirkungslos, oder schlecht ist. Es ist einfach ein anderer Weg. Da allerdings wo es durch Fehlbelastung zu chronischen Gelenkschäden führt, ist das sportliche Karate definitiv auf dem falschen Weg.

Autor:  Herbert Hass

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